Geschichte der Sternwarte
ESO-Instrumente – MICADO
Schon kurz nachdem das VLT in Betrieb gegangen war begannen bei ESO
die Planungen für einen neuen Meilenstein der Teleskopentwicklung:
Es sollte mit einem finanziellen Aufwand von etwa einer
Milliarde € das weltweit größte optische Teleskop mit einem
Hauptspiegel von knapp 40 Metern Durchmesser auf den Weg gebracht
werden, der aus 798 sechseckigen Spiegelelementen zusammengesetzt wird.
Der zunächst vorgesehene Durchmesser von 42 Metern war aus finanziellen
Gründen verringert worden.
Schon lange bevor 2010 die endgültige Entscheidung zum Bau dieses
European Extremely Large Telescope (E-ELT) gefallen war,
hatte ESO Instrumentierungs-Ausschreibungen vorgenommen.
Dabei erhielt im Dezember 2007 ein internationales Konsortium,
dem auch die Sternwarte Bogenhausen angehört, den Zuschlag zur
Durchführung einer Designstudie für die First Light -Kamera
MICADO (Multi-AO (Adaptive Optics) Imaging Camera for Deep
Observations).
Das Instrument sollte das Arbeiten in mehreren Moden erlauben, um
die bahnbrechenden Optionen des E-ELT bzgl. Lichtsammelleistung und
räumlicher Auflösung optimal nutzen können.
Eine weitere Vorgabe der ESO war, dass die Kamera für den Einsatz mit
unterschiedlichen Methoden der adaptiven Optik ausgelegt werden sollte.
Bei diesen Verfahren werden die durch die Luftunruhe hervorgerufenen
und ein unscharfes Bild verursachenden Wellenfrontstörungen
kompensiert, indem man die Schwankungen künstlicher, durch
Laserstrahlen in der oberen Atmosphäre erzeugter »Leitsterne«
analysiert und das Objektbild entsprechend etwa einhundert Mal pro
Sekunde korrigiert.
Ohne eine derartige Technik könnten Großteleskope ihre theoretischen
Möglichkeiten nicht ausnutzen.
Nachdem weltweit Standorte für das Riesenteleskop intensiv untersucht
worden waren, entschied sich ESO 2010 für den Cerro Armazones, einen
3060 Meter hohen Berg, der nur 20 km Luftlinie vom Cerro Paranal
entfernt liegt und in dessen unmittelbarer Umgebung bereits seit
1995 Observatorien der Ruhr-Universität Bochum und der Universität
Antofagasta mit einigen kleineren Teleskopen arbeiteten.
Die chilenische Regierung überließ daraufhin ESO 189 km2
Land um den Berg und erklärte weitere 362 km2 für 50 Jahre
zum Schutzgebiet, um Beeinträchtigungen durch etwaige Bergbauarbeiten
zu verhindern.
Damit waren die Weichen für eine intensivere und konkretere Planung des
Instruments durch das zwischenzeitlich stark angewachsene Konsortium
gestellt, dem neben der Sternwarte Bogenhausen zunächst nur das
Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik in Garching,
das Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, das Institut
für Systemdynamik der Universität Stuttgart, die Universitäten von
Groningen und Leiden und das Osservatorio Astronomico di Padova
angehörten.
Etwas später waren dann noch das Laboratoire d’Études Spatiales
et d’Instrumentation en Astrophysique des Observatoire de
Paris, das Institut für Astrophysik der Universität Göttingen
(ehemals Universitäts-Sternwarte), das Institut de Planétologie et
d’Astrophysique de Grenoble und schließlich noch die astronomischen
Institute der Universitäten Wien, Innsbruck und Linz beigetreten.
Die Arbeitsteilung innerhalb des Konsortiums orientiert sich dabei
an den speziellen Erfahrungen der Partner bei der Realisierung
entsprechender Großprojekte und den Möglichkeiten der vorhandenen
und einzuwerbenden Ressourcen.
So bringt die Sternwarte Bogenhausen auch in dieses Projekt wieder ihre
schon bewährte Kompetenz in der Entwicklung der gesamten Elektronik und
Instrumentensoftware (incl. Beobachtungsvorbereitungs-, Beobachtungs-,
Kalibrations- und Wartungssoftware) ein und beteiligt sich außerdem
an der Lösung kryomechanischer Teilprobleme.
Da ESO für die elektronischen Mess- und Steuerungseinheiten der
E-ELT-Instrumente entsprechend den modernen Entwicklungen
auf diesem Gebiet neue Standards (u. a. speicherprogrammierbare
Steuerungen) für Software und Hardware vorgegeben hat, darf der
Wissensstand in der Instrumentengruppe nicht stagnieren, sondern muss
sich immer wieder neuen Herausforderungen stellen.
Die gegenwärtige Planung sieht vor, dass MICADO nicht nur, wie
ursprünglich beabsichtigt, als Infrarotkamera arbeiten wird, sondern
auch spektroskopische und koronographische Beobachtungen erlauben soll.
Damit kann dann nach der für 2024 geplanten Indienststellung eine
große Zahl fundamentaler Fragestellungen einer Lösung nahegebracht
werden, die vom Studium erdähnlicher Exoplaneten und der Analyse
der schwächsten Sterne in der Milchstraße über Einzelsternanalysen
stellarer Populationen von Galaxien im lokalen Universum, dem
Aufbau galaktischer Kerne um Schwarze Löcher bis hin zur Struktur
höchstrotverschobener Galaxien und der Beobachtung von »First Light«
im Universum reichen.
Die Kombination MICADO/E-ELT ist daher in der Lage, als Zeitmaschine
die Bildung der ersten Sterne und Galaxien, die einige hundert
Millionen Jahre nach dem Urknall stattfand, zu erkunden.
Der 3060 Meter hohe Cerro Armazones wurde 2010 von ESO als Standort
für das E-ELT ausgewählt.
Er liegt in Sichtweite des Cerro Paranal, nur etwa 20 km Luftlinie
von diesem entfernt.
Das Bild zeigt den Berg vor Beginn der Bauarbeiten auf dem Gipfel.
Auf der kleinen Erhebung im Vordergrund und am rechten Bildrand
befindet sich ein 1995 errichtetes kleines deutsches bzw. chilenisches
Observatorium.
Seit Januar 2014 wird mit Straßenbau und Einebnen des Gipfelareals
die Infrastruktur für das E-ELT geschaffen.
Auf diesem Bild, das im Mai 2018 aufgenommen wurde, lassen die
bis dahin durchgeführten Erdbewegungen bereits die Fundamente des
Teleskopgebäudes erkennen.
Das Riesenteleskop mit knapp 40 Metern Spiegeldurchmesser hat bisher
nur als beeindruckende artist’s impression Gestalt angenommen.
Die Höhe von Unterbau und Kuppel beträgt zusammen etwa 100 Meter, wirkt
aber verglichen mit den Pyramiden von Gizeh beinahe noch zierlich.
Die Anordnung der MICADO-Bauteile im Kryostat nach den gegenwärtigen
Designvorstellungen (v. o. n. u.):
Spalt- und Koronographenmasken (rot markiert), Kollimatoroptik,
zwei Filterräder mit je 18 Filterpositionen (grün markiert),
atmosphärischer Dispersionskorrektor und Wechselmechanismen für
Spektrographen- bzw. Imager-Betrieb (Mitte) sowie Kamera-
und Detektoreinheit (unten).
So wird das MICADO-Instrument an einem der beiden Nasmyth-Foki des
E-ELT montiert werden.
Der Umlenkspiegel auf der oberen Platte führt das Licht des Teleskops
dem Instrument zu, das sich vollständig in einem Kryostat (schwarz)
befindet.
Dazwischenliegende optische Elemente zur Bildstabilisierung (adaptive
Optik) sind nicht eingezeichnet.
Das Instrument ist fest mit dem blauen Ring, einem Derotatorflansch
verbunden, mit dem die durch die Nachführung des Teleskops verursachte
Bildfelddrehung kompensiert wird.
Der untere Teil beherbergt im Wesentlichen die Elektronikkabinetts.
Bildquellen:
Nr. 1–8: ESO
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