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Universitäts-Sternwarte München


Fakultät für Physik der Ludwig-Maximilians-Universität

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Geschichte der Sternwarte

Schoenberg – Astronomie

Mit der Entlassung Rabes war die Sternwarte in Bogenhausen an einem Tiefpunkt wie noch nie in ihrer Geschichte angelangt: Außer Burmeister und Felix Schmeidler (1920–2008), seit 1943 Verwalter einer wissenschaftlichen Assistentenstelle, war kein Personal mehr vorhanden. Schmeidler war schon 1938 als Student an die Sternwarte gekommen und hatte seine Laufbahn mit der Messung leichter Doppelsternpaare am Fraunhofer-Refraktor begonnen. Nach seiner Promotion 1941 war er als Hilfsrechner angestellt worden und hatte dann am Vertikalkreis mit seinen absoluten Deklinationsmessungen von Fundamentalsternen und Planeten begonnen, die er dann über sechzig Jahre bis kurz vor seinem Tode weiterführen sollte.

In Kenntnis der Tatsache, dass die Aufräumungsarbeiten auf der Sternwartanlage erst am Anfang standen und zudem die Militärbehörden ein allgemeines Forschungsverbot verfügt hatten, hatte sich schon am 31. August 1945 der aus Breslau geflohene Astronom Erich Schoenberg (1882–1965) an die Universität gewandt und den Wunsch geäußert, in München tätig werden zu dürfen. Der in Warschau geborene Baltendeutsche Schoenberg hatte an den Sternwarten Dorpat (Estland) und Helsingfors (Finnland) gearbeitet, bevor er 1926 Wilkens in der Leitung der Sternwarte Breslau nachgefolgt war. Mit einem der letzten Züge konnte Schoenberg im Frühjahr 1945 mit seiner finnischen Frau das zur Festung erklärte Breslau verlassen und im Westen Schutz suchen. Schon einige Tage nach dem Weggang Rabes, am 5. Februar 1946, stimmte Schoenberg zu, die angetragene Leitung der Sternwarte zu übernehmen. Am 20. Mai 1946 schließlich löste er Burmeister in dieser Funktion ab und übernahm auch das Ordinariat für Astronomie an der Universität. Zu dieser Zeit waren wieder Überlegungen im Gange, das Gelände der Sternwarte zu verkaufen und ein neues Observatorium an einem günstigeren Ort zu errichten. Schoenberg wehrte sich erfolgreich gegen diese Pläne mit dem Argument, dass man bereits mit der Restaurierung begonnen habe und sowieso jetzt und auch in nächster Zeit kein Geld hierfür vorhanden sei. In seinem ersten Jahresbericht beklagte er sich, dass in den zwei Jahren seit der Bombardierung der Sternwarte nichts für die Rettung der Instrumente und Bücher in den beschädigten Räumen geschehen sei, so dass Rost und Schimmel das Zerstörungswerk fortgesetzt hätten. Die Situation besserte sich aber dann allmählich, als durch den Einsatz studentischer Hilfskräfte die Aufräumungsarbeiten und der Wiederaufbau der Sternwarte Fortschritte machten. Im Frühjahr 1947 waren dann die Bauschäden soweit behoben, zwei zusätzliche Mitarbeiter eingestellt und die Instrumente in einen solchen Zustand versetzt, dass allmählich wieder mit der Beobachtungstätigkeit begonnen werden konnte. Diese wurde dann auch im September 1947 durch die von der Militärregierung verordnete Aufhebung des Forschungsverbotes sanktioniert. Der praktisch schon im Rentenalter stehende Schoenberg hatte also mit Erfolg die Aufgabe gemeistert, ein baulich zerstörtes und personell ausgezehrtes Observatorium zu neuem Leben zu erwecken. Die Beseitigung aller Kriegs- und Altersschäden zog sich aber immer mehr in die Länge und konnte erst 1954 abgeschlossen werden. Die ehemalige Direktorenvilla war zu sehr zerstört, um an eine Renovierung denken zu können. Sie wurde daher Ende des Jahres 1956 abgetragen, wobei die Kellermauern im Boden verblieben und die Hohlräume mit Erde verfüllt wurden. Die ehemals dort befindliche Bibliothek war schon 1951 im verwaisten Erdbebenhaus untergebracht worden. Die lange Renovierungszeit schränkte natürlich die Arbeitsbedingungen an der Sternwarte ein und führte dazu, dass die etwas zusammengewürfelt wirkende Mannschaft in ihrer Arbeit kein richtiges Gesamtkonzept erkennen ließ. Man nutzte die vorhandenen Möglichkeiten und ging dabei im Wesentlichen seinen individuellen wissenschaftlichen Neigungen nach: Mit dem Repsoldschen Meridiankreis wurden die abgebrochenen Messungen für den Fundamentalkatalog der Astronomischen Gesellschaft fortgesetzt, an klassischen Problemen der astronomischen Bahnbestimmung gearbeitet und Fragestellungen zur Natur der interstellaren Materie untersucht.

[Erich Schoenberg]

Erich Schoenberg leitet die Sternwarte Bogenhausen von 1946 bis 1955. Als Direktor der Sternwarte Breslau hatte er 1934 zur Verbesserung der Beobachtungsmöglichkeiten in der Nähe von Windhuk (heutiges Namibia) eine Außenstation gegründet, an der photometrische Untersuchungen der interstellaren Materie durchgeführt wurden.

[Die renovierte Sternwartanlage]

Blick auf das Dach des Meridiansaales, die östliche Beobachtungskuppel und den Innenhof der Sternwarte sowie das Refraktorgebäude Mitte der 1950er Jahre. Welche Bewandtnis es mit dem telefonzellenartigen Häuschen hatte, ist heute nicht mehr bekannt. Auch nach Abschluss der Renovierungsarbeiten machte die Sternwartanlage keinen besonders gepflegten Eindruck.

[Blick auf den Westflügel][Blick auf den Ostflügel]

Blick vom Innenhof der Sternwartanlage in südwestlicher Richtung auf den Westflügel (links) und in nordöstlicher Richtung auf den Ostflügel (rechts).

[Weitere Anbauten am Refraktorgebäude]

Um der räumlichen Enge zu entgehen, wurde im Laufe der Zeit das klassische Konzept der Sternwartanlage auch durch Anbauten, wie hier am Verbindungsgang zum Refraktorgebäude, immer mehr beeinträchtigt. Alle Aufnahmen stammen aus den 1950er Jahren.

Zur Verbesserung der in die Jahre gekommenen instrumentellen Ausstattung der Sternwarte wurden von Schoenberg zwar einige Schritte in die Wege geleitet, die aber letztendlich keinen wesentlichen Einfluss auf die wissenschaftlichen Aktivitäten hatten: Schon 1950 war es zur Aufstellung des aus der ehemaligen Strebelschen Sternwarte in Herrsching stammenden 19-cm-Refraktors von Reinfelder & Hertel in der Westkuppel gekommen und anschließend damit begonnen worden, die Herrschinger 60-cm-Horizontalspiegelanlage wieder zu aktivieren und mit einem bereits 1949 von der Fa. Steinheil beschafften Dreiprismen-Spektrographen zu betreiben. Irgendwelche Beobachtungsaktivitäten mit diesen Teleskopen sind jedoch nicht bekannt geworden. Auch ein anderer Instrumentenplan Schoenbergs wurde nicht konsequent weiter verfolgt: Er hatte bei dem Direktor der Sternwarte Turku (Finnland), Yrjö Väisälä (1891–1971), den er aus seiner Zeit in Helsingfors kannte, einen für den Ostgipfel des Wendelstein (vgl. später) bestimmten 34-cm-Schmidtspiegel bestellt, dessen Optik 1952 in Bogenhausen eintraf. Nachdem in der Feinmechanik-Werkstatt die erforderliche Montierung gebaut und eine Präzisionsnachführung integriert worden war, stellte man das fertige Teleskop anschließend provisorisch in der Ostkuppel auf. Um damit kalibrierfähige Spektroskopie betreiben zu können wurde dann das 1932 von Wilkens beschaffte Objektivprisma, das bisher keine Verwendung gefunden hatte, mit einem Objektivgitter ausgestattet und in das Instrument eingebaut. Die erforderlichen Justier- und Testarbeiten zogen sich jedoch sehr in die Länge und konnten erst 1958 abgeschlossen werden. Zu diesem Zeitpunkt bestand jedoch kein Interesse mehr, das Teleskop zum Ostgipfel zu transportieren, um damit dort spektroskopische Untersuchungen vorzunehmen. Auch in Bogenhausen wurde es in der alten Sternwartanlage nie genutzt.

[Der 19-cm-Refraktor in der Westkuppel der Sternwarte][Der 19-cm-Refraktor im Foyer des Institutsgebäudes]

Der 19-cm-Refrakor von Reinfelder & Hertel stammte aus der Strebelschen Sternwarte und befand sich ab 1950 in der Westkuppel der Sternwarte in Bogenhausen. In den 1980er Jahren wurde er zur Dekoration im Foyer des neuen Institutsgebäudes aufgestellt.

[Der Väisälä-Schmidtspiegel]

Der 34-cm-Väisälä-Schmidtspiegel, hier nach einer Aufnahme aus den 1970er Jahren, kam erst ab dieser Zeit zum Einsatz und diente dabei im Wesentlichen der Ausbildung von Studenten.

Der junge aufstrebende Schmeidler war mit seinen Aktivitäten zu dieser Zeit eines der auffälligsten Mitglieder der Sternwarte. Als die Beobachtungstätigkeit am Vertikalkreis wieder begann, nahm der Gedanke immer konkretere Formen an, das weiterhin ungelöste Problem der Deklinationsunterschiede zwischen den Fundamentalkatalogen der nördlichen und südlichen Hemisphäre anzugehen. Rabe hatte zwar schon 1933 gezeigt, dass die außergewöhnlich hohen Deklinationsdifferenzen (bis 1.″0 in Äquatornähe) durch geeignete Berücksichtigung der Fernrohrbiegung vermindert werden konnten. Trotzdem waren aber immer noch systematische Unterschiede von 0.″2 bis 0.″4 verblieben. Als sich dann um 1950 die wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland wieder zu stabilisieren begannen, konnte ein schon lange bekannter Lösungsvorschlag realisiert werden, nämlich, mit dem gleichen Instrument die gleichen Sterne durch den gleichen Beobachter aus etwa gleicher geographischer Breite nördlich und südlich des Äquators zu messen und damit entscheidende Fehlerquellen besser in den Griff zu bekommen. Das ideale Teleskop hierfür war ein Vertikalkreis und die Bogenhausener Sternwarte war alleine im Besitz eines derartigen, noch funktionierenden Geräts. Schmeidler organisierte daraufhin die Kampagne und wählte das Commenwealth Observatory auf dem Mt. Stromlo bei Canberra in Australien als Platz für die Messungen in der südlichen Hemisphäre aus. Ende August 1952 hielt sich dessen Direktor und spätere Astronomer Royal, Richard van der Riet Wooley (1906–1986), zu Vorbesprechungen des Unternehmens in Bogenhausen auf. Während die Deutsche Forschungsgemeinschaft die Reise finanzierte, erklärte sich das Mt.-Stromlo-Observatorium bereit, Gastrecht für Beobachter und Teleskop zu gewähren. Das bedeutete freie Kost und Logis für die beiden vorgesehenen Expeditionsteilnehmer und die kostenlose Aufstellung einer Schutzhütte für den Vertikalkreis.

Im Februar 1954 war es dann soweit: Der Bogenhausener Vertikalkreis trat mit einem Frachtschiff die Reise nach Australien an und zusammen mit Schmeidler brach auch Wulff-Dieter Heintz (1930–2006), der kurz vorher bei ihm promoviert hatte, zum Mt. Stromlo auf. Schon am 19. Mai 1954 konnte das vorgesehene Beobachtungsprogramm gestartet werden, wobei Schmeidler die Messungen ausführte und Heintz als Rechner für deren laufende Reduktion zuständig war. Im Verlaufe von etwas mehr als 15 Monaten konnte in 339 Nächten mit über 4000 Einzelmessungen eine Liste von 1630 Sternen abgearbeitet werden. Ende 1955 trafen dann Instrument und Beobachter wieder wohlbehalten in Bogenhausen ein. Vor der Wiederaufstellung in seinem angestammten Gebäude wurde der Vertikalkreis von Januar bis Mai 1956 einer gründlichen Revision unterzogen. Um das systematische Verhalten des Teleskops zu überprüfen, das ja zwei lange Transporte, je zwei Auf- und Abbauten und sogar einen Austausch des Tubus hinter sich hatte, wurden anschließend alle Sterne, die Schmeidler vor dem Aufbruch nach Australien in Bogenhausen vermessen hatte, nochmals ein komplettes Jahr lang beobachtet. Nach sorgfältiger Auswertung aller Einzelmessungen und der akribischen Korrektur jeder Beobachtung bzgl. Fernrohrbiegung, Polhöhenschwankung, Mikrometerfehler, Kreisteilungsfehler, Dämmerungseffekte, Einfluss von Wolken sowie von Helligkeit und Spektraltyp des Sterns, Refraktionsstörungen und jahreszeitlichem Gang der Refraktion ergab sich, dass die an beiden Beobachtungsorten erhaltenen Deklinationssysteme völlig identisch waren und daher Fehler geheimnisvoller, unbekannter Art nicht existierten. Der Zweck des ganzen Unternehmens kann daher durchaus als gelungen bezeichnet werden, denn es beendete eine lang andauernde Unsicherheit in der Genauigkeit der Deklinationssysteme und steigerte damit erheblich die Zuverlässigkeit der Fundamentalastronomie.

[Revision und Wiederaufbau des Vertikalkreises][Revision und Wiederaufbau des Vertikalkreises][Revision und Wiederaufbau des Vertikalkreises]
[Revision und Wiederaufbau des Vertikalkreises][Revision und Wiederaufbau des Vertikalkreises][Revision und Wiederaufbau des Vertikalkreises]

Der Vertikalkreis wurde nach seinem 15-monatigen Einsatz am Mt.-Stromlo-Observatorium in Australien Anfang 1956 einer gründlichen Revision unterzogen und dann wieder von Werkstattleiter Friedrich Körner (1916–1986) und seinen Mitarbeitern in seinem angestammten Gebäude aufgestellt. Die Bilder zeigen, wie die zentrale Einheit des Instruments allmählich wieder Gestalt annimmt. Gelegentlich war bei der Aufstellung auch artistisches Können gefragt: Die beiden Mechaniker auf dem Dach des Gebäudes hatten bei ihrer Arbeit einen attraktiven Blick entlang der Possartstraße zum Prinzregentenplatz.

[Felix Schmeidler][Felix Schmeidler am Vertikalkreis][Felix Schmeidler am Vertikalkreis]

Felix Schmeidler während eines Vortrags in den 1980er Jahren und mit »seinem« Vertikalkreis, mit dem er über 60 Jahre bis kurz vor seinem Tod 2008 arbeitete.

Noch während der Australienexpedition war Schoenberg im Alter von 72 Jahren zum 1. Juli 1955 emeritiert worden. Er starb zehn Jahre später auf seinem Alterssitz in Rimsting am Chiemsee.

Bildquellen:

Nr. 1–17: USM

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