Geschichte der Sternwarte
Seeliger – Astronomie (2)
Seeligers bedeutendste Leistung stellten seine Untersuchungen
zur räumlichen Verteilung der Sterne dar, ein Versuch, mit
stellarstatistischen Methoden den Aufbau des Milchstraßensystems
zu erforschen.
Vor ihm waren nur unvollkommene, tastende Versuche in dieser Richtung
unternommen worden und Seeliger gebührt der Ruhm, als erster eine
wohlbegründete, auf empirischen Daten beruhende Vorstellung des
galaktischen Gebäudes abgeleitet, d. h. aus der Projektion der Sterne
an die Sphäre ihre dritte Dimension erschlossen zu haben.
Die erforderlichen Daten beschaffte er sich in mühevoller Vorarbeit
aus den beiden Bonner Durchmusterungen, die Informationen für
ca. 460 000 Sterne enthalten.
Da deren Helligkeitsschätzungen vor allem für die helleren Sterne nicht
einheitlich waren, musste Seeliger mühsam auch noch Korrekturfaktoren
aus der neueren Literatur ermitteln.
Auf der Grundlage dieser Sternzählungen entwickelte er dann mit Hilfe
des reichem mathematischen Rüstzeugs, über das er verfügte ,
seine berühmten Integralgleichungen, die die räumliche Dichteverteilung
mit der Verteilungsfunktion der Leuchtkräfte verknüpften und auch
unter Berücksichtigung einer möglichen interstellaren Absorption die
wahre Verteilung der Sterne zu bestimmen erlaubten.
Seeliger in seinem Studierzimmer und sein Universum:
Die Sterne der Milchstraße sind danach ellipsoidal um die Sonne
als Zentrum verteilt, wobei die Ausdehnung in der Ebene etwa
10 000 pc und in Richtung der galaktischen Pole etwa
1800 pc beträgt (1 pc = 3.26 Lichtjahre).
Die geraden Linien A, B, C, D und E beziehen sich auf die galaktischen
Breiten 80, 60, 40, 20 und 5 Grad.
Die mit Zahlen indizierten Linien repräsentieren Oberflächen gleicher
Dichte.
Die Grenze des Sternsystems bildet die mit Milchstraße
bezeichnete Linie, jenseits derer theoretisch keine Sterne mehr
vorhanden sind.
Veranlasst durch die Novaerscheinungen der Jahre 1885, 1891 und 1901
beschäftigte sich Seeliger auch mit dem Problem dieser
neuen Sterne , die unvermittelt sichtbar werden und deren
Helligkeit in Wochen bis Jahrzehnten wieder stetig abnimmt.
Seine grundlegende Idee dabei war, dass eine Novaerscheinung durch
das Eindringen eines Weltkörpers in eine dunkle, kosmische
Staubwolke hervorgerufen wird, ähnlich einer durch einen Meteoriten
in der Erdatmosphäre verursachten Meteorerscheinung.
Durch Transformation der für das Novaphänomen erforderlichen zeitlichen
Größenverhältnisse auf die nur Sekunden andauernden Vorgänge in der
Erdatmosphäre erschienen ihm die beiden Prozesse vergleichbar.
Bildquellen:
Nr. 1: USM
Nr. 2: E. R. Paul
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